Christin Melcher

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Sachsens Grüne kritisieren die CDU

Christin MelcherChristin Melcher

Interview in der LVZ vom 14.11.2019
Originalbeitrag: lvz-online

Die Koalitionsverhandlungen zwischen CDU, SPD und Grünen verliefen in Sachsen bisher geräuschlos. Das hat sich geändert, weil die Werteunion der CDU gegen die Grünen schießt, CDU-Chef Michael Kretschmer das Klimapaket der Bundesregierung kritisiert und erste Details der Verhandlungen durchgestochen wurden. Grünen-Landessprecherin Christin Melcher zeigt im Interview Grenzen auf.

Dresden. Seit CDU-Chef Michael Kretschmer das Klimapaket der Bundesregierung kritisiert und die Werteunion der Partei gegen die Grünen geschossen hat, verlaufen die Koalitionsverhandlungen zwischen CDU, SPD und Grünen nicht mehr so geräuschlos wie bisher. Trotz Meinungsverschiedenheiten hofft Grünen-Landessprecherin Christin Melcher auf eine schnelle Regierungsbildung.

Die Grünen haben bereits den jüngst vollzogenen CDU-Alleingang bei der Gründung einer SoKo LinX nach den Übergriffen in Leipzig kritisiert. Am Mittwoch wurden nun Details aus den Koalitionsverhandlungen im Bereich Innenpolitik durchgestochen. Wie groß ist Ihr Unmut darüber?

Grundsätzlich sind die Verhandlungen bisher vertrauensvoll verlaufen. Wir sind drei unterschiedliche Parteien, mit unterschiedlichen Perspektiven, die sich gemeinsam auf den Weg gemacht haben, die besten Lösungen für das Land zu finden. Die jüngsten Entwicklungen sind daher bedauernswert. Das faktische Austragen von Koalitionsverhandlungen in der Öffentlichkeit macht das Verhandeln ein Stück weit schwieriger. So gilt es denn auch für uns Grüne, unsere Positionen öffentlich klar zu machen: Die Forderung nach dem Verschleierungsverbot ist nicht nur falsch, sie ist auch reine Symbolpolitik, mit der Ängste geschürt werden. In der letzten Wahlperiode hat die CDU noch einen entsprechenden Gesetzesentwurf der AfD abgelehnt.

Was erwarten die Grünen nun von der CDU?

Die Zuspitzung in den letzten Wochen des Wahlkampfes hat dafür gesorgt, dass die Union viele Leihstimmen von progressiven Wählerinnen und Wählern bekommen hat. Die Mehrzahl der Bevölkerung hat am 1. September gezeigt: Sie will nicht, dass die AfD stärkste Kraft in Sachsen wird. Daraus erwächst eine enorme Verantwortung für die CDU und für uns alle in diesen Koalitionsverhandlungen.

Haben Sie die Befürchtung, dass die Grünen in den Verhandlungen über den Tisch gezogen werden?

Nein. Aber uns stören diese Querschläge. Das macht den Prozess wirklich nicht leichter.

Glauben Sie unter diesen Voraussetzungen, dass Sachsen bis Weihnachten eine neue Regierung hat?

Das ist nach wie vor unser Wunsch. Wir sind es der Bevölkerung drei Monate nach der Landtagswahl auch schuldig. Gleichzeitig möchten wir aber auch ein Signal des Aufbruchs senden. Die Botschaft muss sein: Hier setzt sich 30 Jahre nach der Friedlichen Revolution eine neue Regierung zusammen, die sich überlegt, wie man das Vertrauen der Menschen zurückgewinnen kann. Deswegen verbietet sich ein „Weiter so!“, bei dem die Grünen lediglich irgendwie mit am Tisch sitzen.

Wie soll das gehen?

Wir müssen die soziale Spaltung überwinden und die großen ökologischen Herausforderungen unserer Zeit angehen. Mit Mut und Zuversicht und nicht im Beharren und Stillstand. Die Menschen erwarten Orientierung und Antworten auf die zentralen Fragen der Zukunft, Digitalisierung, Klimawandel oder unseren gesellschaftlichen Zusammenhalt. Da reicht es nicht, in Wahlperioden zu denken, sondern tatsächlich neue Wege für einen weiten Zeitraum aufzuzeigen.

Man hat den Eindruck, dass die Verhandlungen nicht mehr ganz so geräuschlos wie zu Beginn ablaufen?

Richtig. Uns Grünen ist es wichtig, in diesen Runden vertrauens- und respektvoll miteinander umzugehen. Und bisher hatten wir eigentlich wahrgenommen, dass der Wunsch dazu von allen Seiten besteht.

Was hat sich verändert?

Wir erleben, wie sich der Ton zuspitzt: Mit der Gründung der SoKo LinX im Alleingang oder auch den Kommentierungen zum Klima-Paket als „Inländer-Diskriminierung“. Und flankierend dazu erklärt die Werteunion, es könne nicht Aufgabe der CDU sein, die Grünen in eine Koalition zu bringen. Das alles sollte nicht der Umgang miteinander sein, beim Bemühen, eine gemeinsame Regierung zu bilden. Und darum muss es letztendlich gehen.

Warum sind die Grünen da so empfindlich? Können Sie der CDU nicht zubilligen, dass es dort auch verschiedene Ansichten gibt?

Wir reden von einem Klimapaket der Bundesregierung, an der die CDU und bekanntlich nicht die Grünen beteiligt sind und das aus unserer Sicht bei Weitem nicht den Herausforderungen des Klimawandels Rechnung trägt. Und der Begriff „Inländer-Diskriminierung“ ist auf vielen Ebenen zu kritisieren – da geht es um mehr als einen inhaltlichen Dissens in der Sache.

Wie sieht es denn bei den Inhalten aus?

Es ist nichts geeint, bevor nicht alles geeint ist. Wir werden jetzt nicht die Koalitionsverhandlungen über die Presse führen. Das ist nicht unser Stil. CDU, SPD und wir haben Stillschweigen vereinbart und daran halten wir uns auch.

Noch ein Versuch: Beim Klima- und Naturschutz kommen Sie voran?

Wir haben ein Sondierungsergebnis, das ein klares Bekenntnis zu den Zielen des Pariser Klimaschutzabkommens beinhaltet. Dahinter fallen wir nicht zurück. Die jungen Menschen, die bei Fridays for Future auf die Straße gehen, sehen ja, dass die Klimakrise real ist, Stichwort Dürresommer. Das sind die Herausforderungen, denen wir uns stellen müssen. Gerade, wenn wir nicht nur an die nächsten fünf Jahre denken möchten, sondern eine nachhaltige Klimapolitik für Sachsen betreiben wollen.

Können Sie sich künftig einen neuen Zuschnitt der Ministerien vorstellen?Beispielsweise könnte man ja Umwelt und Landwirtschaft in verschiedene Hände geben.

Es ist noch nicht der Zeitpunkt, um über Zuschnitte zu reden. Jetzt geht es um Inhalte. Natürlich haben wir viele Forderungen und Kompetenzen in den Bereichen Umwelt, Klimaschutz, Naturschutz und Landwirtschaft, aber die haben wir auch auf den Gebieten Sozialpolitik, Bildung, Wissenschaft oder Innenpolitik. Derzeit geht es darum, Kompromisse zu schmieden und uns zu einigen.

Sind mehr Ministerposten geplant?

Wie gesagt: Das ist jetzt nicht der Zeitpunkt für Spekulationen. Über Ministerien und ihre Zuschnitte wird erst ganz am Ende entschieden.

Und wie ist der formale Stand?

Wir sind jetzt in den einzelnen Fachgruppen mit den Themen soweit durch. Nun befassen sich die Spitzenebenen der Parteien mit den vorliegenden Zwischenständen.

Mal angenommen, in Sachsen kommt eine Kenia-Koalition zustande. Dürfen wir uns das dann etwa so vorstellen wie in Sachsen-Anhalt oder Brandenburg?

Eine mögliche Koalition in Sachsen wäre eine eigenständige Regierung. Sachsen-Anhalt ist ja auch nicht gleich Brandenburg. Wir Grüne wünschen uns für unsere mögliche Koalition den demokratischen Aufbruch, den Sachsen braucht. Wir müssen es wieder schaffen, Menschen selbst zu ermächtigen und ihnen Veränderung zu ermöglichen.

Die CDU hält am Wochenende ihren Parteitag im vogtländischen Markneukirchen ab. Werden Sie das verfolgen?

Natürlich! Die CDU muss ja auch noch einmal für sich das Wahlergebnis auswerten.

Interview: Roland Herold

Von Roland Herold

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