Redebeitrag der Abgeordneten Christin Melcher (BÜNDNISGRÜNE) zum Antrag der Fraktionen CDU, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und SPD zum Thema “Fachkräftesicherung in der frühkindlichen Bildung” (Drs 7/1822)
9. Sitzung des 7. Sächsischen Landtags, Donnerstag, 29. April 2020, TOP 6
Sehr geehrte Frau Präsidentin,
sehr geehrte Damen und Herren,
gerade in diesen Tagen zeigt sich, welche gesellschaftlichen Bereichen für uns alle essentiell sind. In der jetzigen Ausnahmesituation der Corona-Pandemie spüren viele Eltern, wie systemrelevant die Kinderbetreuung ist. Und wir als Bündnisgrüne wollen nicht nur in der Krise zeigen, wie wichtig die frühkindliche Bildung ist. Daher werden wir in den kommenden Jahren eine ordentliche Schippe an Investionen drauflegen und die Grundlagen schaffen, um die gute Qualität unserer Einrichtungen zu verbessern.
Und das braucht es auch, denn die Fakten sprechen eine deutliche Sprache: Zum Ende des Schuljahres 2019/2020 fehlten uns 950 Fachkräfte in Kitas. Der Personalmangel ist offenkundig. Vor allem in den ländlichen Kommunen ist die Situation mehr als angespannt, aber auch die Großstädte trifft es hart.
Schauen wir einmal nach Leipzig: Mit der Einführung des Rechtsanspruches auf einen Betreuungsplatz und den enormen Zuzug, den die Stadt verzeichnet, war es eine Mammutaufgabe, die Platzkapazitäten für unsere Kinder zu schaffen. Jetzt wo die Voraussetzungen vorhanden sind fehlt es an Personal. Die mühsam geschaffenen Betreuungsplätze in den Einrichtungen können demnach nicht ausgelastet werden. Das muss sich ändern, liebe Kolleginnen und Kollegen.
Wer die Probleme angehen will, muss sich ein Stückweit ehrlich machen in der Debatte. Wir haben in Sachsen im Kitabereich noch einige Baustellen zu bearbeiten. Deshalb haben wir uns in der Koalition gesagt: Wir packen das an!
Unsere Aufgabe ist es, die zu erwartenden Altersabgänge zu kompensieren und gleichzeitig die qualitative Verbesserung in den Kitas weiter auszubauen. Dazu brauchen wir pro Jahr circa 800 neue Erzieherinnen und Erzieher in den Kitas.
Erste Schritte sind schon gemacht worden. So haben wir 200 zusätzliche Ausbildungsplätze an den staatlichen Fachschulen geschaffen. Auch der Zugang zur Erzieher*innen-Ausbildung wurde erweitert. Bisher gab es für Fachoberschülerinnen und Fachoberschüler der Fachrichtung Gesundheit und Soziales keine direkte Zugangsberechtigung. Seit diesem Schuljahr 2019/2020 konnten sich nun auch Absolventinnen und Absolventen der Fachoberschulen für die Ausbildung an den Fachschulen für Sozialwesen bewerben.
Mit dem nun Ihn vorliegenden Antrag wollen wir die Erzieher*innen-Ausbildung noch mehr voranbringen, indem wir ab dem kommenden Schuljahr die Azubis in der Erzieher*innen-Ausbildung von der Zahlung des Schulgeldes befreien. Das ist eine wichtiger Schritt, liebe Kolleginnen und Kollegen.
Das Interesse für den Beruf der Erzieherin bzw. des Erziehers ist groß. Jährlich schließen rund 2.000 Menschen die Ausbildung erfolgreich ab, aber davon kommen zu wenige in den sächsischen Kitas an. Um die Gründe hierfür zu erfahren, hat das Kultusministerium bereits einen ersten Aufschlag mit der Befragung von Absolventinnen und Absolventen gemacht. Darüberhinaus geht es bei der Befragung auch um Maßnahmen für eine Erhöhung der Attraktivität der Ausbildung. Einen weiteren großen Schritt wollen wir nun mit unserem Antrag “Fachkräftesicherung in der frühkindlichen Bildung” gehen.
Um den zukünftigen Bedarf an Fachkräften in den Kitas genau bestimmen zu können, werden wir ein kontinuierliches Fachkräftemonitoring in der frühkindlichen Bildung installieren. Nur so ist eine gezielte Steuerung der Ausbildungskapazitäten und Maßnahmen zur Gewinnung zusätzlicher Fachkräfte möglich, liebe Kolleginnen und Kollegen.
Aber, eines wissen wir jetzt schon. Der Teich, in dem wir angeln, ist jetzt schon überfischt. Wir brauchen Lösungen zur Fachkräftegewinnung, bei der die Qualität nicht gemindert wird. Wir brauchen differenzierte Zugänge für das pädagogische Fachpersonal in unseren Kitas. Dazu werden wir die Entwicklung von multiprofessionellen Teams in Kindertageseinrichtungen unterstützen. Dabei ist mir wichtig zu betonen, dass multiprofessionelles Arbeiten kein ‘Sparmodell’ ist und auch keine Notlösung bei personellen Engpässen.
Ganz im Gegenteil, denn sie hat den Vorteil, dass durch die Arbeit in multiprofessionellen Teams vielfältige Potentiale von Fachkräften in die Kita-Arbeit einfließen können. Externes Fachwissen, auch temporär, fließt in die Arbeit der Einrichtungen und Teams. Die Arbeit von multiprofessionellen Teams befördert so die Sicherstellung eines reichhaltigen Bildungsangebotes für die Kinder. Das multiprofessionelle Arbeiten im Team schafft eine gute Voraussetzung dafür, Aufgaben und Arbeitsschwerpunkte je nach spezifischen Fähigkeiten der Mitarbeitenden zu verteilen bzw. zu setzen und somit auch zur Entlastung der Einzelnen beizutragen. Dies macht den Beruf als pädagogische Fachkraft an unseren Kitas attraktiver, liebe Kolleginnen und Kollegen.
Wir müssen unsere Kitas zukunftsfähig machen. In Anbetracht der aktuellen Situation und der mittelfristigen Perspektive muss es uns gelingen, dass wir Fachkräfte für das Arbeitsfeld der Kindertagesbetreuung gewinnen, halten und langfristig binden. Mit all diesen eben genannten kleinen Teilschritten lassen sich erkennbare Effekte für die Fachkräftesicherung erzielen. Krempeln wir also die Ärmel hoch und packen es an, liebe Kolleginnen und Kollegen.