Redebeitrag der Abgeordneten Christin Melcher (BÜNDNISGRÜNE) zur Dritten Aktuellen Debatte auf Antrag der Fraktion DIE LINKE: „Keine Baseballschlägerjahre! Gemeinsam gegen Neonazi-Agitation an den Schulen, für Menschlichkeit und Demokratiebildung.“
13. Sitzung des 8. Sächsischen Landtags, Mittwoch, 20.05.2025, TOP 6
– Es gilt das gesprochene Wort –
Sehr geehrter Herr Präsident,
liebe Kolleginnen und Kollegen,
rechtsextreme Bedrohungen gegenüber einer Lehrerin im Erzgebirge, rechtsextreme Gesten von Görlitzer Schülerinnen und Schüler vor dem Konzentrations- und Vernichtungslager Auschwitz-Birkenau, Neonazisticker und Hakenkreuze an Schulen.
Wir alle kennen die erschreckenden Schlagzeile und sie machen eins deutlich: Rechtsmotivierte und rassistische Gewalttaten nehmen wieder zu. Das ist nicht nur ein Gefühl, sondern das belegen auch Zahlen. Besonders für junge Menschen wird der gewaltbereite Rechtsextremismus immer anschlussfähiger.
Und gleichzeitig wissen wir, dass diese Zahlen nur die Spitze des Eisberges sind. Viele Taten, Schmierereien oder rechte Symboliken werden gar nicht erst erkannt oder gemeldet.
Liebe Kolleginnen und Kollegen
ich habe mich aber beim Titel ihrer Debatte gefragt, ob es stimmt, dass die sogenannten Baseballschlägerjahre zurück sind? Ich selbst bin in den 90er Jahren in Ostvorpommern aufgewachsen. Ein Landstrich, der ebenfalls feste rechtsextreme Strukturen bis heute aufweist. Was aber die 90er Jahre zu heute meines Erachtens unterscheidet: komplett rechtsfreie Räume, keine Polizei, mangelnde staatliche Strukturen, eben keine Staatsmacht, die eingegriffen hat. Ich denke, das ist heute anders.
Allerdings erlebe ich gerade im schulischen Kontext immer wieder mangelndes Bewusstsein für Zuständigkeiten. Ich möchte das erklären.
Viele rechtsextreme Vorfälle an Schule finden in sogenannten Übergangsbereichen statt, in der Hofpause, auf der Klassenfahrt, im Übrigen besonders häufig auf Gedenkstättenfahren. Oder am Nachmittag im Klassenchat. Wer ist denn dafür verantwortlich, da einzugreifen?
Liebe Kolleginnen und Kollegen,
insbesondere Chatgruppen, Messenger und soziale Netzwerke sind ein regelrechter Treiber für rechtsextreme gewaltbereite Gruppen. Aber ist es Aufgabe der Schule oder doch der Polizei, hier einzugreifen? Hier braucht es starke Netzwerke, zwischen Schule, Polizei und zivilgesellschaftlichen Akteuren, damit aus dem Zuständigkeitsvakuum eben kein rechtsfreier Raum wird.
Und bei Netzwerken möchte ich einen weiteren Punkt ansprechen. Viele Lehrkräfte in den Schulen fühlen sich als Einzelkämpfer*innen. Wir haben leider keinen besonders gut ausgeprägten Teamgeist im Lehrerzimmer. Das müssen wir ändern. Und ich möchte alle Lehrkräfte auch ermutigen, sich mit den Kolleg*innen zusammenzutun.
Bei einer Veranstaltung zum Thema hat mir eine Lehrkraft erzählt, auch sie fühlte sich sehr alleine mit der Problematik. Sie hat dann einen Aushang gemacht und gefragt, wer interessiert ist für eine Weiterbildung zum Thema und es haben sich sage und schreibe 30 Kolleg*innen gemeldet.
Liebe Lehrkräfte, Sie sind nicht alleine! Und es gibt wirklich auch viele außerschulische Partner, die zur Verfügung stehen, Schulen beim Erkennen von rechtsextremen Vorfällen zu unterstützen und mit ihnen gemeinsam Präventions- und Interventionsmaßnahmen erarbeiten.
Liebe Kolleginnen Kollegen,
ich glaube, von den Zuständen in den sogenannten Baseballschlägerjahren sind wir noch entfernt. Allerdings müssen wir Demokraten achtsam bleiben und zwar in allen gesellschaftlichen Bereichen.
Wir BÜNDNISGRÜNE machen uns daher schon immer stark für Schulen als Orte der gelebten Demokratie und Vielfalt. Es ist darüber hinaus immer gut, die angestoßenen Maßnahmen der letzten Jahre auf ihre Wirksamkeit zu überprüfen und sie an die neuen Realitäten anzupassen. Aber auch im außerschulischen Bereich müssen Demokratieprojekte und Räume, in denen gesellschaftlicher Zusammenhalt erfahrbar wird, gestärkt werden.
Und, liebe Minderheitskoalition, dazu gehört auch, diese Projekte sowohl im schulischen als auch im außerschulischen Bereich ausreichend zu finanzieren und gerade hier nicht den Rotstift anzusetzen. Was wären Kürzungen hier für ein fatales Zeichen mit weitreichenden Folgen.
Liebe Kolleginnen und Kolleginnen,
bei der Debatte darf die Opferperspektive nicht fehlen. Schule muss auch ein Schutzraum für Schüler*innen mit Migrationsgeschichte, queere Jugendliche oder jüdische oder muslimische Schülerinnen sein. Das ist unsere Gemeinschaftsaufgabe und da sind wir alle gefragt: die Politik, die Schulgemeinschaft, die Ordnungsbehörden und die Zivilgesellschaft.
Damit sich die Baseballschlägerjahre eben nicht wiederholen.