Christin Melcher

Anstehende Veranstaltungen

Rückblick: Diskussionsrunde „Haltung zeigen! Schule als demokratischen Ort stärken“ am 22. Januar 2024 in Torgau

kristenkristen
Volles Haus im GRÜNEN Torgau. Das Podium debattierte miteinander und vielen tollen Gästen.

Nach der kurzfristigen, krankheitsbedingten Absage im Oktober, konnte die Podiumsdiskussion „Haltung zeigen! Schule als demokratischen Ort stärken“ am 22. Januar 2024 im GRÜNEN Abgeordnetenbüro in Torgau endlich wie geplant stattfinden. Christin Melcher, bildungspolitische Sprecherin der BÜNDNISGRÜNEN Landtagsfraktion, begrüßte die Gäste und stellte die Mit-Diskutant*innen vor: Amy Kirchhoff, Vorsitzende des LandesSchülerRates Sachsen, Theresa Kühn, Regionalkoordination in der Region Leipzig für „Schule ohne Rassismus – Schule mit Courage“ im Netzwerk für Demokratie und Courage (NDC) sowie Schulberaterin, Daniela Voigt, Schulsozialarbeiterin an einer Torgauer Schule, sowie Torsten Pötzsch vom Mehrgenerationenhaus Arche in Eilenburg. Thema des Abends war Demokratiebildung und gelebte Demokratie an sächsischen Schulen.

Eingangs tauschten sich die Podiumsgäste über die Situation in Sachsen sowie eigene Erfahrungen aus. Frau Kirchhoff machte deutlich, dass die Lage von Schule zu Schule unterschiedlich, „besondere Vorfälle“ und demokratische Bildung aber überall Thema seien. Hakenkreuz-Schmierereien etwa seien an vielen Schulen ein regelmäßiges Problem. Inwieweit es als solches benannt und bearbeitet wird, hänge stark von der Lehrkraft ab. Frau Voigt berichtete, dass es an ihrer Schule bereits Suspendierungen wegen verbotener Schmierereien gegeben hat. Angesprochen auf die Tatsache, dass es im Landkreis Nordsachsen keine Schule im Netzwerk „Schule ohne Rassismus – Schule mit Courage“ gibt, stellte Frau Kühn klar, dass es dennoch vielfältige Kontakte zu Schulen im Landkreis gebe. Bemühungen, Netzwerkschule zu werden, wären aber mehrfach im Sande verlaufen. Als Schulberaterin habe sie dennoch die Erfahrung gemacht, dass der Bedarf da sei und rechte Strukturen sich im ländlichen Raum meist stärker verfestigten als im städtischen, weil der Zugang zu Beratung und Unterstützung erschwert sei. Herr Pötzsch betonte, dass das Thema schon immer da gewesen sei und sich viele Schulen sehr aktiv für Demokratie einsetzten. Schulen im ländlichen Raum hätten naturgemäß ein großes Einzugsgebiet, so dass die Schülerschaft letztlich ähnlich heterogen sei wie in der Stadt. Herr Pötzsch beschrieb die Angst mancher Schulen, bei Vorfällen als „Problemfall“ dazustehen, was mitunter dazu führe, Vorkommnisse nicht zu thematisieren. Dennoch gebe es überall Aktive vor Ort und auch eine gute Zusammenarbeit mit der Jugendarbeit.

Es wurde auch über den Beutelsbacher Konsens als Grundlage der politischen Bildungsarbeit gesprochen. Frau Kühn berichtete, dass dem NDC bereits Verstöße gegen das „Neutralitätsgebot“ vorgeworfen wurden, deutlich häufiger aber gebe es Rückfragen von verunsicherten Lehrkräften. Der Beutelsbacher Konsens sei in jedem Fall Grundlage ihrer Arbeit und werde durch die Teamer*innen entsprechend umgesetzt. Frau Kirchhoff meinte, Lehrkräfte würden das sehr unterschiedlich handhaben: Viele würden zwar aktuelle Themen aufgreifen, sich aber nicht selbst positionieren. Dass es gar keine Diskussionen im Unterricht gebe, betreffe aber nur eine Minderheit der Schulen. Frau Voigt ergänzte, dass viel aus den Familien mitgebracht werde. Ihre Schule habe sich eine Hausordnung gegeben, die Wert auf Respekt und Gewaltfreiheit legt. Als Schulsozialarbeiterin sei es ihre Pflicht, bei Konflikten einzuschreiten. Unter Lehrkräften beobachte sie das Bestreben, die eigene politische Haltung aus der Schule rauszuhalten. Herr Pötzsch stellte klar, dass bisher kein Projekt an Schulen im Rahmen der Partnerschaft für Demokratie mit Verweis auf den Beutelsbacher Konsens gescheitert wäre. Eher würden Externe fragen, ob die Grundsätze zur politischen Bildungsarbeit auch eingehalten werden. Für Schulen sei es in jedem Fall gewinnbringender, sich in Netzwerken oder Programmen zu engagieren, als einzelne Projekttage auszurichten.

Auf die Frage, inwieweit es in den letzten Jahren Veränderungen gab, meinte Frau Kühn, dass die Bereitschaft zur Diskussion zugenommen habe. Vieles, was in der Welt und in der Gesellschaft passiert, könne ohnehin nicht aus der Schule ausgeklammert werden. Schwierig seien die begrenzten Kapazitäten, mitunter gebe es auch Widerstände und Desinteresse in den Kollegien. Eine engagierte politische Bildungsarbeit an Schule sei sehr abhängig von der persönlichen Bereitschaft und Kompetenz. Frau Voigt nannte den Fachkräftemangel als Problem. Häufig würde bei aktuellen Krisen die Schulsozialarbeit um Aufklärungsarbeit gebeten. Frau Kirchhoff ergänzte, dass es an Zeit mangele. Manche Lehrkräfte wollten für politische Bildung im Unterricht keinen Lehrplanstoff „opfern“. 

In einem letzten Komplex ging es um einen Praxischeck und ums Geld. Herr Pötzsch bejahte die Aussage, dass Geld ein limitierender Faktor für eine erfolgreiche Demokratiebildung sein kann, da Projekte beantragt und (meist externe) Honorarkräfte bezahlt werden müssten. Frau Kühn resümierte, dass die Mittel für das NDC derzeit ausreichend seien, es aber durch mehr Netzwerkschulen und ein größeres Interesse der Schulen einen wachsenden Bedarf gebe. Zudem sei die Sensibilität für Diskriminierungserfahrungen und die Politisierung der jungen Menschen gestiegen und auch Förder- und Grundschulen sollten stärker einbezogen werden, was den finanziellen Bedarf weiter erhöhe. Grundsätzlich sei die Form der Projektförderung schwierig für eine nachhaltige Demokratiearbeit. Zur Frage, wie erfolgreiche Demokratiebildung konkret aussieht und was es dafür braucht, stellte Frau Kirchhoff fest, dass präventiv da nicht viel passiere, sondern meist nur eingeschritten wird, wenn es Vorfälle gibt. Ob Gespräche mit Eltern und Schulleitung folgen oder gar ein Ausschluss vom Unterricht, obliege in der Regel der Schule selbst. Frau Kühn bestätigte, dass es mehr Anfragen zur Intervention gibt, obwohl etwa das Netzwerk „Schule ohne Rassismus – Schule mit Courage“ einen präventiven Ansatz verfolgt. Der Titel würde mitunter als Auszeichnung interpretiert, dabei sei es vielmehr eine Selbstverpflichtung. Das Interesse an Prävention nehme jedoch zu, viele Schulen arbeiteten an einem Präventionskonzept. Sofern eine Intervention nötig sei, biete das NDC auch eine konkrete Beratung an. Herr Pötzsch unterstrich, dass die Schulen Ressourcen für Präventionsarbeit bräuchten, vor allem Zeit. Demokratiebildung habe weniger mit formalem Lernen zu tun, als vielmehr mit Erleben, Beteiligen und Mitmachen. Demokratiebildung sei Engagementförderung. Frau Kirchhoff bestätigte, dass die Erfahrung, etwas bewegen zu können, wichtig für die Schüler*innen sei. Kinder und Jugendlich würden oftmals weniger ernst genommen. Es bräuchte mehr Möglichkeiten für Beteiligung und eine Stärkung der Schüler*innenvertretung.

In der anschließenden Diskussion wurde über Elternarbeit, Selbstwirksamkeit und Medienbildung ebenso gesprochen wie über politisches Engagement inner- und außerhalb von Schule. Viel Raum nahm auch das aktuelle Demonstrationsgeschehen ein und das Plädoyer, das Thema Politik und Demokratie gesamtgesellschaftlich auf der Tagesordnung zu halten. Abschließend fragte Christin Melcher nach den Wünschen der Podiumsgäste für Schulen als demokratische Orte. Frau Kühn äußerste die Hoffnung, dass sich die Schulen bewusst den Landtagswahlen widmen, Ressourcen im Unterricht nutzen, den Austausch fördern, sich mit Wahlprogrammen beschäftigen und sich trauen zu diskutieren. Frau Voigt nannte zwei Wünsche: flächendeckende U18-Wahlen in Torgau sowie paritätisch besetzte Schulsozialarbeit an allen sächsischen Schulen. Frau Kirchhoff teilte den Wunsch nach U18-Wahlen und unterstrich die Notwendigkeit einer Stärkung der Schüler*innenvertretung. Herr Pötzsch fasste treffend zusammen: Demokratiebildung sei kein Sprint, sondern ein Dauerlauf. Er äußerte den Wunsch, dass sich Schule von alten Hierarchien löst und mehr Mitbestimmung ermöglicht.

Vielen Dank an unsere Gäste im Podium und im Publikum für die engagierte Diskussion! 

kristen
Author

Comments 0
There are currently no comments.

Diese Website verwendet Akismet, um Spam zu reduzieren. Erfahre mehr darüber, wie deine Kommentardaten verarbeitet werden.